Phytopharmaka PharmaWikiAls Phytopharmaka werden Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs bezeichnet. Im Unterschied zu den chemisch definierten Wirkstoffen handelt es sich um Vielstoffgemische, die im Organismus an verschiedenen molekularen Zielstrukturen aktiv sind. Weil Phytopharmaka variable Naturprodukte sind, werden heute vermehrt eingestellte Extrakte verwendet, was die Grundlage für eine gleichbleibende Wirksamkeit darstellt. Phytopharmaka sind keine Homöopathika, denn die homöopathischen Mittel enthalten aufgrund der starken Verdünnung nur noch Spuren der aktiven Inhaltsstoffe. Die höchsten Ansprüche werden an die rationalen Phytopharmaka gestellt. Ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wird in kontrollierten klinischen Studien wissenschaftlich überprüft. Phytopharmaka bergen grundsätzlich dieselben Risiken wie alle Arzneimittel, sie sind im Vergleich mit den chemisch definierten Wirkstoffen aber in der Regel besser verträglich.
synonym: Pflanzliche Heilmittel, Phytotherapeutika, Phytopharmazeutika
Phytopharmaka – pflanzliche ArzneimittelDer Begriff Phytopharmaka (Singular: Phytopharmakon) leitet sich von den griechischen Bezeichnungen phytón für Pflanze und phármakon für Arzneimittel ab. Ganz allgemein handelt es sich also um pflanzliche Arzneimittel. Gemeint sind zum Beispiel getrocknete Pflanzenteile, auch Arzneidrogen genannt, wie etwa Blätter, Blüten, Rinden oder Wurzeln. Diese werden häufig als Arzneitees zubereitet, wie beispielsweise Orangenblüten mit heissem Wasser als Beruhigungsmittel.
Phytopharmaka sind VielstoffgemischeIm Unterschied zu den chemisch definierten Arzneimitteln, die in der Regel nur einen oder wenige Wirkstoffe enthalten, sind Phytopharmaka Vielstoffgemische, die aus hunderten unterschiedlichen Substanzen bestehen. Von diesen werden einige als pharmakologisch aktiv und andere als inaktiv angesehen. Die Wirksamkeit resultiert aus der komplexen Interaktion der Inhaltsstoffe mit molekularen Zielstrukturen, also z.B. mit Rezeptoren, Enzymen und Transportern. Die Pflanzenheilkunde bildete auch den Ursprung der Schulmedizin. Bis zu 70 % der Arzneistoffe sind von Naturstoffen abgeleitet. Viele klassische Wirkstoffe wie das Schmerzmittel Morphin, das Herzglykosid Digoxin und das Anticholinergikum Atropin stammen aus Pflanzen. Solche Reinsubstanzen werden heute aber nicht zu den Phytopharmaka gezählt.
Der Extrakt als WirkstoffWeil Phytopharmaka Naturprodukte sind – wie Kaffee, Wein oder Kakao – hängt ihre Qualität von vielen Faktoren ab. Beispielsweise von der Pflanzensorte, dem Anbauklima, dem Erntezeitpunkt, der Trocknung und der weiteren Verarbeitung. Deshalb ist es möglich, dass die für die Wirkung verantwortlichen Inhaltsstoffe in zwei Tees in sehr unterschiedlicher Konzentration vorhanden sind. Aus diesem Grund werden heute vermehrt Extrakte (Auszüge) hergestellt, die auf die wesentlichen Substanzen eingestellt sind – also immer definierte Mengen der Stoffe enthalten. Dabei können auch unerwünschte Stoffe, welche Nebenwirkungen verursachen, entfernt werden. Extrakte verschiedener Hersteller sind deshalb nur bedingt miteinander vergleichbar. Aus den Extrakten werden verschiedene Darreichungsformen wie Tabletten, Tropfen oder Salben produziert.
Extraktion aus Pflanzenteilen, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
Phytopharmaka sind keine HomöopathikaPhytopharmaka enthalten aktive pharmazeutische Wirkstoffe, die mit Strukturen im Organismus, den sogenannten Drug Targets, interagieren. Sie unterscheiden sich deshalb wesentlich von den homöopathischen Mitteln, welche so stark verdünnt sind, dass fast oder überhaupt nichts mehr von der Ausgangssubstanz vorhanden ist. Die Homöopathie hat im Unterschied zur Phytotherapie keine wissenschaftliche Basis. Ihr Wirkprinzip ist demjenigen der modernen Arzneimitteltherapie fundamental entgegengesetzt.
Rationale PhytotherapieDie höchsten Ansprüche werden an die rationalen Phytopharmaka gestellt. Ihre Wirkung und die Unbedenklichkeit werden in doppelblinden, randomisierten und kontrollierten klinischen Studien überprüft. Sie werden also wie schulmedizinische Medikamente entwickelt und wissenschaftlich getestet. Dies im Unterschied zu den traditionellen Phytopharmaka, deren Anwendung in erster Linie auf Erfahrung beruht, zum Beispiel die Anwendung des gerbenden Schwarztees bei Durchfallerkrankungen.
Typische Beispiele rationaler Phytopharmaka:
- Johanniskraut zur Behandlung von depressiven Verstimmungen
- Pestwurz gegen Heuschnupfen
- Ginkgo zur Behandlung von Einbussen der mentalen Leistungsfähigkeit
- Traubensilberkerze zur Behandlung von Wechseljahrbeschwerden
- Weissdorn zur Behandlung von Herzbeschwerden
- Baldrian und Hopfen zur Behandlung von Schlafstörungen
Grundsätzlich bestehen bei den Phytopharmaka dieselben Risiken wie bei allen Arzneimitteln – es gibt ein Potential für unerwünschte Wirkungen, es existieren Gegenanzeigen und es sind Arzneimittel-Wechselwirkungen möglich. Sie haben im Allgemeinen aber eine gute Verträglichkeit und eine grosse therapeutische Breite. Sie sind oft risikoärmer als chemisch-synthetische Medikamente. Phytopharmaka eignen sich deshalb gut für einfache und chronische Beschwerden und können aufgrund des eher geringen Interaktionspotenzials auch bei älteren Menschen mit Mehrfachverordnungen gut eingesetzt werden.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Europäisches Arzneibuch PhEur
- Falch B., Eltbogen R., Meier B. Phytotherapie - die gut dokumentierte Basis der Schulmedizin. Schweizerische Ärztezeitung, 2013, 94(5), 161-163
- Hänsel R., Sticher O., Steinegger E. Pharmakognosie - Phytopharmazie. Berlin, Heidelberg: Springer, 1999
- Keller K., Knöss W., Reh K., Schnädelbach D. Phytopharmaka. Begriffsbestimmungen und Hintergründe. Bundesgesundheitsbl, 2003, 46, 1036–1039
- Wagner H. Wiesenauer M. Phytotherapie. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2003
- Wichtl M. Teedrogen und Phytopharmaka. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1997
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt. Abbildungen: © PharmaWiki