Hyperkaliämie IndikationenEine Hyperkaliämie ist eine Erhöhung der Kaliumwerte im Blutserum. Ein milder Anstieg ist in der Regel symptomlos. Hohe Konzentrationen sind hingegen potentiell lebensgefährlich und äussern sich in einer Muskelschwäche, Lähmungen und Herzrhythmusstörungen. Gefährdet sind vor allem ältere Menschen mit Nierenerkrankungen. Zahlreiche Arzneimittel können die metabolische Störung begünstigen, weil sie das Renin-Angiotensin-System hemmen, das die Kaliumausscheidung an der Niere fördert.
synonym: Hyperkalämie, Kaliumüberschuss
HintergrundKaliumionen spielen eine wichtige Rolle bei vielen biologischen Prozessen, insbesondere bei der Entstehung der Membran- und Aktionspotentiale und der elektrischen Leitung in Nervenzellen und am Herzen. Kalium ist zu 98 % intrazellulär lokalisiert. Der primär aktive Transporter Na+/K+-ATPase sorgt für den Transport in die Zellen.
Zwei Hormone halten die tiefe extrazelluläre Kaliumkonzentration aufrecht. Erstens das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Insulin, das die Aufnahme von Kalium in die Zellen fördert und zweitens das in den Zellen des juxtaglomerulären Apparats der Niere gebildete Renin. Renin fördert die Sekretion von Aldosteron an der Zona glomerulosa der Nebenniere, was wiederum die Kaliumausscheidung an der Niere begünstigt (Abbildung). Kalium wird zu einem geringeren Anteil auch über den Dickdarm ausgeschieden.
Hyperkaliämie, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
SymptomeVon einer Hyperkaliämie wird gesprochen, wenn eine Kaliumkonzentration im Blutserum von mehr als 5.0 mmol/L gemessen wird. Eine milde Hyperkaliämie bleibt häufig symptomlos. Bei einem mässigen bis starken Anstieg ab 6-8 mmol/L sind jedoch teils schwerwiegende Beschwerden wie eine Muskelschwäche, eine allgemeine Schwäche, Gefühlsstörungen, eine Azidose, Lähmungen, ein Darmverschluss, zentralnervöse Störungen, EKG-Veränderungen, Herzrhythmusstörungen, ein Herzstillstand und im schlimmsten Fall ein fataler Ausgang möglich.
UrsachenDrei Prozesse begünstigen die Entstehung einer Hyperkaliämie: Eine erhöhte Kaliumaufnahme, eine verstärkte Freisetzung von Kalium aus den Zellen und eine verminderte Elimination. Aldosteron fördert die Ausscheidung von Kaliumionen an der Niere. Da Aldosteron selbst unter der Kontrolle des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) steht, kann jede Hemmung dieses Systems zu einer Erhöhung der Kaliumkonzentration führen. Aldosteron wird in der Nebenniere gebildet, weshalb auch Erkrankungen der Nebenniere eine Hyperkaliämie auslösen.
1. Arzneimittel:
- Renin-Inhibitoren, ACE-Hemmer und Sartane hemmen das Renin-Angiotensin-System.
- Aldosteron-Antagonisten wie Spironolacton, Eplerenon und Finerenon hemmen die Effekte von Aldosteron.
- Kaliumsparende Diuretika wie Amilorid und Triamteren halten Kalium an der Niere zurück.
- Betablocker hemmen das RAS durch Hemmung der Reninbildung.
- NSAR vermindern die Reninsekretion und den renalen Blutfluss.
- Kaliumchlorid erhöht als Arzneimittel die exogene Zufuhr von Kalium.
- Zahlreiche weitere Arzneimittel haben das Potenzial, eine Hyperkaliämie zu verursachen. Dazu gehören Aminosäuren, Azol-Antimykotika, Benzylpenicillin-Kalium (Penicillin G), Ciclosporin, Digoxin, Heparine, Pentamidin, Succinylcholin, Tacrolimus und Trimethoprim.
2. Ernährung:
- Eine kaliumreiche Ernährung erhöht die exogene Zufuhr von Kalium. Es ist ein Bestandteil von Meersalz, das manchmal bei einem hohen Blutdruck anstelle von Kochsalz empfohlen wird. Kalium ist in zahlreichen Früchten enthalten, zum Beispiel in Bananen, Avocados, Rosinen, Melonen, getrockneten Datteln und Aprikosen sowie in dunkelgrünen Blattgemüsearten. Auch Arzneidrogen, Trinknahrung und Nahrungsmittelergänzungen können hohe Mengen an Kalium enthalten.
3. Erkrankungen:
Reduzierte Kaliumausscheidung:
- Diabetische Nephropathie, Niereninsuffizienz, Nierenversagen, Herzinsuffizienz
- Verminderte Bildung, Ausschüttung von oder Resistenz auf Aldosteron: Hypoaldosteronismus, Pseudohypoaldosteronismus, Mineralocorticoidmangel, Addison-Krankheit (Nebenniereninsuffizienz), Hyporeninämie
Verstärkte Kaliumfreisetzung aus den Zellen:
- Zellauflösung: Hämolyse, Rhabdomyolyse, Verbrennungen, Trauma, Tumorauflösung (Zytostatika), Ischämie der Extremitäten
- Azidose
- Diabetes mellitus, Insulinresistenz, Hyperosmolare Zustände, Hyperglykämie
Gefährdet sind vor allem ältere Menschen mit Nierenerkrankungen, die Medikamente einnehmen. Am häufigsten wird eine akute Hyperkaliämie im Krankenhaus beobachtet. Grunderkrankungen, eine Polymedikation und Wechselwirkungen fördern die Entstehung der Stoffwechselstörung.
DiagnoseDie Diagnose wird in ärztlicher Behandlung unter anderem anhand der Blutanalytik, der Patientengeschichte, der körperlichen Untersuchung und des EKG gestellt. Dabei müssen Zustände ausgeschlossen werden, die ähnliche Beschwerden hervorrufen. Bei einer sogenannten Pseudohyperkaliämie liegen Laborresultate vor, die fälschlicherweise erhöhte Kaliumwerte anzeigen. Eine häufige Ursache ist die Freisetzung von Kalium aus zerstörten Zellen, z.B. aus roten Blutkörperchen.
Nicht medikamentöse BehandlungDie nicht medikamentöse Therapie zielt in erster Linie darauf ab, die exogene Zufuhr von Kalium über Lebensmittel und Medikamente zu senken. Auslösende Medikamente sollen falls möglich abgesetzt und umgestellt werden. Zur Akutbehandlung kommt ferner die Hämodialyse bei einem schweren Verlauf zum Einsatz, der medikamentös nicht adäquat behandelt werden kann.
Medikamentöse BehandlungEine Hyperkaliämie wird ärztlich behandelt. Bei einer akuten Verschlechterung, EKG-Veränderungen und schweren Symptomen handelt es sich um einen medizinischen Notfall.
- Parenterales Calcium stabilisiert das Myokard kurzzeitig während der Akutbehandlung, indem es die Effekte von Kalium an der Zellmembran antagonisiert. Es hat jedoch keinen Effekt auf die erhöhte Kaliumkonzentration.
- Schleifendiuretika wie Furosemid und Torasemid und Thiazide wie Hydrochlorothiazid sind harntreibend und fördern die Kaliumausscheidung. Sie kommen auch bei der Behandlung der chronischen und milden Hyperkaliämie zum Einsatz.
- Insulin fördert die Aufnahme von Kalium in die Zellen. Es wird in der Regel zusammen mit Glucose verabreicht, um so einer Hypoglykämie vorzubeugen.
- β2-Sympathomimetika wie Salbutamol fördern einerseits die endogene Ausschüttung von Insulin und die Aufnahme von Kalium in die Zellen. Andererseits stimulieren Sympathomimetika die Sekretion von Renin und damit die Ausscheidung an der Niere (β1). Sie werden inhalativ oder parenteral verabreicht.
Ionenaustauscher:
- Natriumpolystyrolsulfonat (Resonium® A) ist ein Kationenaustauscher mit einer hohen Affinität für Kalium, der Kaliumionen im Darmlumen gegen Natriumionen austauscht. Es kann oral oder rektal appliziert werden und wird mit Abführmitteln wie Sorbitol kombiniert, die zu einer Beschleunigung der Darmtätigkeit und somit zu einer raschen Ausfuhr des gebundenden Kaliums aus dem Körper führen. Eine häufige unerwünschte Wirkung ist Durchfall. Bei einer Hypernatriämie ist das Arzneimittel aufgrund des Natriumgehalts kontraindiziert.
- Patiromer (Veltassa®) ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Kationenaustauscher, der bei Erwachsenen eingesetzt wird. Es bindet Kalium im Lumen des Gastrointestinaltrakts und führt es der Ausscheidung über den Stuhl zu.
- Natriumzirconiumcyclosilicat (Lokelma®) bindet ebenfalls Kaliumionen im Verdauungstrakt und führt sie der Ausscheidung zu.
Kausale medikamentöse Behandlung:
- Neben der symptomatischen Behandlung ist je nach Ursache eine mehr oder weniger kausale medikamentöse Therapie möglich. So kann beispielsweise ein Hypoaldosteronismus mit dem Mineralocorticoid Fludrocortison behandelt werden.
Renin-Angiotensin-System, Hypokaliämie
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