Kortisontabletten Arzneimittelgruppen GlucocorticoideKortisontabletten sind Arzneimittel, welche Glucocorticoide wie beispielsweise Prednison, Prednisolon, Triamcinolon oder Dexamethason mit entzündungshemmenden, immunsuppressiven und antiallergischen Eigenschaften enthalten. Sie werden unter anderem bei schweren allergischen und rheumatischen Krankheiten, Autoimmunerkrankungen, bei Hauterkrankungen, Atemwegserkrankungen und für eine Substitutionstherapie eingesetzt. Die Tabletten werden üblicherweise frühmorgens zwischen 6 bis 8 Uhr eingenommen. Das Absetzen muss langsam und schrittweise erfolgen. Die Behandlung darf von den Patienten nicht abrupt und ohne Rücksprache beendet werden. Während eine kurze Therapie in der Regel relativ verträglich ist, können bei einer längerfristigen Einnahme zahlreiche unerwünschte Wirkungen auftreten.
synonym: Orale Glucocorticoide, Orale Kortisontherapie, Systemische Steroidbehandlung
ProdukteKortisontabletten sind Arzneimittel, welche zur Einnahme bestimmt sind und Wirkstoffe aus der Gruppe der Glucocorticoide enthalten. Bei den Tabletten, wasserlöslichen Tabletten und Retardtabletten handelt es sich in der Regel um Monopräparate, welche oft teilbar sind. Glucocorticoide wurden erstmals Ende der 1940er-Jahre medizinisch eingesetzt.
Struktur und EigenschaftenDie in den Arzneimitteln enthaltenen Glucocorticoide sind von den natürlichen, körpereigenen Hormonen wie Hydrocortison (= Cortisol) abgeleitet, welche von der Nebennierenrinde unter zentraler Kontrolle durch ACTH gebildet werden. Die synthetischen Wirkstoffe wurden strukturell verändert, etwa fluoriert, verestert oder anelliert. Dadurch wurden ihre pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften modifiziert, zum Beispiel in Bezug auf ihre Halbwertszeit, ihre Potenz und die glucocorticoiden und mineralocorticoiden Wirkungen.
Geordnet nach aufsteigender Potenz: Cortison < Hydrocortison < Prednison < Prednisolon < Triamcinolon < Methylprednisolon < Dexamethason.
WirkungenGlucocorticoide (ATC H02AB ) haben entzündungshemmende, immunsuppressive, antiallergische, gefässverengende und antiproliferative Eigenschaften. Die Effekte beruhen auf der Bindung an intrazelluläre Glucocorticoid-Rezeptoren im Zytoplasma der Zellen. Der dabei entstandene Komplex interagiert mit der DNA. Es muss beachtet werden, dass die Effekte mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Stunden eintreten. Für die akute Notfalltherapie sind Glucocorticoide deshalb nicht geeignet! Darüber hinaus entfalten die Wirkstoffe auch extragenomische Effekte.
Wirkmechanismus der Glucocorticoide, zum Vergrössern anklicken. Illustration © PharmaWiki
IndikationenKortisontabletten können für zahlreiche Anwendungsgebiete verabreicht werden. Zu den Indikationen gehören:
- Rheumatische Erkrankungen, z.B. eine rheumatoide Arthritis
- Autoimmunerkrankungen, z.B. eine multiple Sklerose
- Hautkrankheiten, z.B. Schuppenflechte, atopische Dermatitis, Lupus erythematodes
- Allergische Erkrankungen, z.B. als Bestandteil des Allergie-Notfallsets, schwere allergische Rhinitis
- Endokrine Störungen, z.B. Nebennierenrindeninsuffizienz, Substitutionstherapie
- Augenkrankheiten, z.B. schwere entzündliche Erkrankungen
- Entzündliche Darmerkrankungen, z.B. Colitis ulzerosa, Morbus Crohn
- Atemwegserkrankungen, z.B. Asthma, COPD
- Krebserkrankungen, z.B. als Antiemetika, bei Leukämien
- Hämatologische Erkrankungen, z.B. bestimmte Anämien
Gemäss der Fachinformation. Die Dosis wird individuell eingestellt. Die Initialdosis kann vergleichsweise hoch sein. Generell sollte für eine anschliessende Erhaltungstherapie die tiefste wirksame Dosis verabreicht werden.
Kortisontabletten werden aufgrund des natürlichen zirkadianen Rhythmus der Glucocorticoidausschüttung in der Regel frühmorgens eingenommen, zum Beispiel zwischen 6 und 8 Uhr. Um die Reizung der Darmschleimhaut zu reduzieren, können die Tabletten mit dem Essen verabreicht werden.
Checkliste: Behandlung mit Kortisontabletten:
Download: Checkliste_Kortisontabletten.pdf
MissbrauchDie Einnahme von Kortisontabletten kann zu einer positiven Dopingkontrolle führen.
WirkstoffeDie folgenden Glucocorticoide werden oral und in Form von Tabletten verabreicht (Auswahl):
- Betamethason (Betnesol®)
- Deflazacort (Calcort®, ausser Handel)
- Dexamethason (Fortecortin®, Generika)
- Hydrocortison (Generika)
- Methylprednisolon (Medrol®)
- Prednisolon (Spiricort®, Generika)
- Prednison (Generika, Lodotra®)
- Triamcinolon (Kenacort®)
Fludrocortison hat eine gewisse glucocorticoide Wirkung, zeichnet sich aber durch seine vorwiegend mineralocorticoiden Effekte aus.
KontraindikationenZu den Gegenanzeigen gehören (Auswahl):
- Überempfindlichkeit
- Magen- und Darmgeschwüre
- Schwere Osteoporose
- Diabetes mellitus
- Schwere Hypertonie
- Virusinfektionen, systemische Infektionen
- Immunisierung mit Lebendimpfstoffen
- Psychiatrische Krankheiten in der Patientengeschichte
- Systemische Pilzinfektionen
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
InteraktionenOrale Glucocorticoide haben ein hohes Potenzial für Wechselwirkungen. Die Interaktionen müssen vor dem Beginn der Therapie überprüft werden. Vorsicht ist auch bei der Selbstmedikation geboten (z.B. Schmerzmittel wie die NSAR).
Unerwünschte WirkungenEine kurzfristige Therapie von bis zu 10 Tagen gilt als relativ gut verträglich. Vor allem bei einer längerfristigen Behandlung können die folgenden möglichen unerwünschten Wirkungen auftreten:
Immunsystem:
- Immunsuppression, Maskierung von Infektionen, opportunistische Infektionskrankheiten, Aktivierung latenter Infektionen
Hormonsystem:
- Hemmung der ACTH-Freisetzung, NNR-Insuffizienz, Cushing-Syndrom, Gynäkomastie, hoher Blutzucker, Diabetes, Zyklusstörungen
- Kinder: Wachstumshemmung
Wasser- und Elektrolythaushalt:
- Wassereinlagerung, Ödeme, Natriumretention, Bluthochdruck, Kaliumverlust, Calcium- und Phosphatverlust
Zentrales Nervensystem:
- Schwindel, Kopfschmerzen, erhöhter intrakranieller Druck, psychische Störungen wie Schlafstörungen, Euphorie, Depressionen, Stimmungs- und Persönlichkeitsveränderungen, emotionale Instabilität, Psychosen
Augen:
Gastrointestinaltrakt:
- Magen- und Darmgeschwüre (vor allem in Kombination mit NSAR), Perforationen und Blutungen, vermehrter Appetit, Gewichtszunahme, ulzerative Ösophagitis
Haut:
- Hautveränderungen, Atrophie, Striae, Steroidakne, schlechte Wundheilung
Muskeln, Gelenke und Skelett:
- Osteoporose, Muskelschwäche, Muskelschwund, Myopathie, Sehen-, Knochen- und Gelenkschädigungen
- Für die Vorbeugung der Osteoporose wird die Einnahme von Vitamin D empfohlen.
Blut:
- Blutbildstörungen, Erhöhung des Thromboserisikos
- Arzneimittel-Fachinformation (CH, USA, D)
- Adcock I.M., Mumby S. Glucocorticoids. Handb Exp Pharmacol, 2017, 237, 171-196 Pubmed
- Buttgereit F. A fresh look at glucocorticoids how to use an old ally more effectively. Bull NYU Hosp Jt Dis, 2012, 70 Suppl 1, 26-9 Pubmed
- Liu D. et al. A practical guide to the monitoring and management of the complications of systemic corticosteroid therapy. Allergy Asthma Clin Immunol, 2013, 9(1), 30 Pubmed
- Ramamoorthy S., Cidlowski J.A. Corticosteroids: Mechanisms of Action in Health and Disease. Rheum Dis Clin North Am, 2016, 42(1), 15-31, vii Pubmed
- Warriner A.H., Saag K.G. Prevention and treatment of bone changes associated with exposure to glucocorticoids. Curr Osteoporos Rep, 2013, 11(4), 341-7 Pubmed
- Zoorob R.J., Cender D. A different look at corticosteroids. Am Fam Physician, 1998, 58(2), 443-50 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
Weitere Informationen