Antiviralia Arzneimittelgruppen AntiinfektivaDie direkten Antiviralia sind Wirkstoffe, welche für die Vorbeugung und Behandlung viraler Infektionskrankheiten eingesetzt werden. Sie interagieren selektiv mit Strukturen der Erreger und unterdrücken so die Virusvermehrung. Typische Drug Targets sind virale Enzyme und Nukleinsäuren. Bei akuten Erkrankungen sollen sie so früh wie möglich nach dem Ausbruch der Symptome verabreicht werden.
synonym: Virostatika, Virustatika, Medikamente gegen Viren
ProdukteDirekte Antiviralia sind unter anderem in Form von Tabletten, Kapseln, Lösungen, Cremen und Infusionslösungen als Arzneimittel im Handel. Der erste antivirale Wirkstoff wurde in den 1960er-Jahren zugelassen (Idoxuridin).
Struktur und EigenschaftenAntivirala sind eine grosse Arzneimittelgruppe und haben keine einheitliche chemische Struktur. Es lassen sich aber Gruppen bilden, so zum Beispiel die Nukleosid-Analoga. Dabei handelt es sich um Analoge von DNA-Bausteinen und um Prodrugs, die vorwiegend in den befallenen Zellen durch Phosphorylierungen aktiviert werden.
WirkungenAntiviralia (ATC J05 ) sind kausal und direkt gegen Viren wirksam (antiviral). Sie interagieren selektiv mit viralen Strukturen und üben ihre Effekte in verschiedenen Stadien der Virusvermehrung aus. Der genaue Ablauf des Replikationszyklus ist vom Virus abhängig:
- Anheftung (Adsorption)
- Eindringen in die Zelle, Fusion
- Uncoating
- Reverse Transkription
- Integration in das Wirtsgenom
- Vermehrung der RNA oder DNA (Replikation)
- Bildung der neuen Virusbestandteile (Translation)
- Reifung
- Freisetzung
Indem sie diese Prozesse beeinflussen, unterdrücken sie die Virusvermehrung und verhindern die weitere Ausbreitung der Erreger. Typische Drug Targets der Antiviralia sind Enzyme, andere Proteine und Nukleinsäuren. Die Wirkstoffe sind in der Regel selektiv für ein Virus oder eine Gruppe verwandter Viren.
Angriffspunkte der Antiviralia im viralen Replikationszyklus, zum Vergrössern anklicken. Abbildung: © PharmaWiki
Die grosse Gruppe der Nukleosid-Analoga sind Derivate von DNA-Bausteinen, welche nach ihrer Phosphorylierung als falsche Substrate in die virale DNA eingebaut werden. Dies führt zu einem Kettenabbruch und hemmt so die DNA-Polymerase und die DNA-Synthese.
Ein zweiter Ansatz ist die Interaktion mit Drug Targets der Wirtszellen, welche von den Viren für ihre Vermehrung benötigt werden. Dabei ist allerdings in der Regel mit mehr unerwünschten Wirkungen zu rechnen. Dieser Mechanismus ist weniger geläufig.
IndikationenFür die Vorbeugung und Behandlung viraler Infektionskrankheiten, zum Beispiel einer viralen Hepatitis, HIV, Herpes-Infektionen und einer Grippe.
DosierungGemäss der Fachinformation. Bei akuten Infektionen muss die Therapie so früh wie möglich nach dem Auftreten der Symptome begonnen werden, damit die Virusvermehrung unterdrückt werden kann.
WirkstoffeDie Wirkstoffe finden Sie unter den folgenden Arzneimittelgruppen (Auswahl):
- Antisense-Therapeutika (Cytomegalie)
- CCR5-Antagonisten (HIV)
- Endonuklease-Inhibitoren (Influenza)
- Fusionsinhibitoren (HIV)
- gp120-Antagonisten (HIV)
- HCV-NS5A-Inhibitoren (Hepatitis C)
- HCV-Polymerase-Inhibitoren (Hepatitis C)
- HCV-Proteasehemmer (Hepatitis C)
- HIV-Proteasehemmer (HIV)
- Interferone (Hepatitis B, C)
- Integrase-Inhibitoren (HIV)
- Kinasehemmer (CMV)
- M2-Kanal-Blocker (Influenza)
- Monoklonale Antikörper (z.B. RSV)
- Neuraminidasehemmer (Influenza)
- Nukleosid-Analoga (Herpesviren, Hepatitis)
- Phosphonsäure-Derivate (Herpesviren)
- Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (HIV, Hepatitis)
- RNA-Polymerase-Inhibitoren: Favipiravir (Influenza, Ebola)
Die vollständigen Vorsichtsmassnahmen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation. Antiviralia sollen nicht bei bakteriellen Infektionskrankheiten eingesetzt werden, da sie für deren Behandlung nicht geeignet sind.
Unerwünschte WirkungenDie unerwünschten Wirkungen sind abhängig von den verwendeten Medikamenten. Antiviralia sind nicht vollkommen selektiv für die viralen Strukturen und können deshalb Nebenwirkungen im Organismus verursachen. Ein Problem stellt wie bei den Antibiotika die Entwicklung von Resistenzen dar, welche aufgrund von Mutationen im viralen Genom unter dem Selektionsdruck entstehen können.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (CH)
- Balfour H.H. Antiviral drugs. N Engl J Med, 1999, 340(16), 1255-68 Pubmed
- Bolken T.C., Hruby D.E. Discovery and development of antiviral drugs for biodefense: experience of a small biotechnology company. Antiviral Res, 2008, 77(1), 1-5 Pubmed
- De Clercq E., Li G. Approved Antiviral Drugs over the Past 50 Years. Clin Microbiol Rev, 2016, 29(3), 695-747 Pubmed
- Martinez J.P., Sasse F., Brönstrup M., Diez J., Meyerhans A. Antiviral drug discovery: broad-spectrum drugs from nature. Nat Prod Rep, 2015, 32(1), 29-48 Pubmed
- Nováková L. et al. Current antiviral drugs and their analysis in biological materials - Part II: Antivirals against hepatitis and HIV viruses. J Pharm Biomed Anal, 2018, 147, 378-399 Pubmed
- Razonable R.R. Antiviral drugs for viruses other than human immunodeficiency virus. Mayo Clin Proc, 2011, 86(10), 1009-26 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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