Schlankheitsmittel

synonym: Anorektika, Appetitzügler, Schlankheitsmittel
WirkungenAntiadiposita unterscheiden sich in ihren Wirkungen. Sie hemmen den Appetit oder erhöhen die Sättigung, reduzieren die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen im Darm oder fördern ihre Verwertung, erhöhen den Energieumsatz und abbbauende Stoffwechselprozesse.
Das ideale Schlankheitsmittel würde einen schnellen, hohen und stabilen Gewichtsverlust ermöglichen und gleichzeitig sehr gut verträglich und bei allen Patientengruppen anwendbar sein. Ein solches Wundermittel ist derzeit leider noch nicht im Handel.
IndikationenFür die Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas). Die Behandlung sollte immer von einer Ernährungsumstellung und vermehrter körperlicher Aktivität begleitet werden.
1. Zugelassene Wirkstoffe- Orlistat (Xenical®, Generika, OTC-Präparate) ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Lipasehemmer, der zur Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit eingesetzt wird. Es hemmt die Verdauung von Fetten im Darm, die nicht aufgenommen, sondern über den Stuhl ausgeschieden werden. Orlistat kann vor, während oder bis zu 1 Stunde nach dem Essen eingenommen werden. Die Mahlzeiten sollen nur einen geringen Fettanteil enthalten, ansonsten können unerwünschte Wirkungen wie Fettstühle, Durchfall und Bauchschmerzen auftreten. Über Einzelfälle von Lebererkrankungen während der Behandlung wurde berichtet.
Serotonin-Agonisten:
- Lorcaserin (Belviq®) wurde im Sommer 2012 in den USA zugelassen → siehe unter Lorcaserin
- Das Antidiapetikum Liraglutid (Saxenda®) wurde im Jahr 2016 für die Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit zugelassen → siehe unter Liraglutid
- Auch Semaglutid wurde in den USA im Jahr 2021 für dieses Anwendungsgebiet freigegeben.
Selektive Serotonin und Noradrenalin Reuptake Inhibitoren (SSNRI):
- Sibutramin (Reductil®, ausser Handel) wirkt appetithemmend, verstärkt das Sättigungsgefühl und erhöht möglicherweise die Thermogenese. Die Wirksamkeit wurde in zahlreichen klinischen Studien belegt und beruht auf einer Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin. Es war zugelassen als Zusatzmassnahme bei Fettleibigkeit (BMI ≥ 30). Bei der Behandlung mussten die zahlreichen Kontraindikationen, die Interaktionen und die unerwünschten Wirkungen beachtet werden. Sibutramin führt häufig zu unerwünschten Wirkungen, wie zum Beispiel Herzklopfen, Blutdruckerhöhung, Verstopfung, Mundtrockenheit, Gefässerweiterung, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Es durfte nur unter ärztlicher Kontrolle verabreicht werden. Sibutramin wurde in der Schweiz Ende März 2010 vom Markt genommen. Weitere Wirkstoffe aus der Gruppe der SSNRI wie die Antidepressiva Venlafaxin (Efexor®, Generika) und Duloxetin (Cymbalta®) sind ebenfalls appetithemmend, aber nicht in dieser Indikation zugelassen.
Cannabinoid-Rezeptor-Antagonisten:
- Rimonabant (Acomplia®, ausser Handel). Cannabinoid-Rezeptor-Antagonisten heben die Effekte des Endocannabinoidsystems auf, das physiologisch durch den endogenen Liganden Anandamid und durch das Rauschmittel Cannabis aktiviert wird. Die Effekte sind weitgehend jenen von Cannabis entgegengesetzt. Cannabinoid-Rezeptor-Antagonisten wirken appetithemmend, antiadipös und lipidsenkend und werden zur Behandlung von Übergewicht und Fettleibigkeit verwendet. Häufige unerwünschte Wirkungen sind psychiatrische Störungen wie depressive Verstimmungen. Der bisher einzige Vertreter der Arzneimittelgruppe ist Rimonabant (Acomplia®, Sanofi-Aventis) und wurde kurz nach der Einführung aufgrund des schlechten Nutzen-Risiko-Verhältnisses 2008 wieder vom Markt zurückgezogen.
Viele weitere Arzneimittel können das Körpergewicht senken, sind aber in der Schweiz nicht für die Indikationen Übergewicht und Adipositas zugelassen. Ihre gewichtssenkende Wirkung kann bei der zugelassenen Indikation nützlich sein, zum Beispiel bei Diabetes mellitus oder Depression mit gleichzeitigem Übergewicht. Aufgrund der unerwünschten Wirkungen ist aber fraglich, ob sie in ärztlicher Behandlung Off-Label zur ausschliesslichen Behandlung von Übergewicht verschrieben werden sollten.
Sympathomimetika, Amphetamine und Amphetaminähnliche:
- Amphetamin, Ephedrin, Phentermin, Phenylpropanolamin, Amfepramon, Aminorex, Mazindol, Methylphendiat und andere. Sie wirken hauptsächlich appetithemmend und sind in der Schweiz aufgrund ihres Potentials für unerwünschte Wirkungen, Missbrauch und Abhängigkeit in dieser Indikation nicht mehr im Handel.
Noradrenalin und Dopamin Wiederaufnahmehemmer:
- Bupropion (Zyban®, Wellbutrin®) ist zur Behandlung von Depressionen und zur Raucherentwöhnung zugelassen. Es verstärkt das Sättigungsgefühl und scheint mässig wirksam.
Serotonin Wiederaufnahmehemmer:
- Fluoxetin (Fluctine®, Generika) wird Off-Label verschrieben und ist appetithemmend. Die klinische Wirksamkeit insbesondere im Hinblick auf einen längerfristigen Gewichtsverlust ist aber umstritten.
- Fenfluramin ist direkt und indirekt serotonerg wirksam. Es galt insbesondere in der Kombination mit Phentermin ("Fen-Phen") als sehr gut wirksam, wurde aber aufgrund unerwünschter Wirkungen vom Markt genommen (pulmonale Hypertonie, Herzklappenstörungen). Siehe auch unter Benfluorex.
- Sertralin (Zoloft®, Generika)
- Die Schilddrüsenhormone Levothyroxin und Liothyronin werden bereits seit dem 19. Jahrhundert als Schlankheitsmittel eingesetzt. Sie fördern den Fettabbau und steigern den Grundumsatz. Problematisch sind die zahlreichen unerwünschten Wirkungen.
- Betahistin wirkt appetithemmend und könnte in Zukunft als Antiadipositum eingesetzt werden.
- Dipeptidylpeptidase-4 Inhibitoren wie Vildagliptin (Galvus®) und Sitagliptin (Januvia®) hemmen den Abbau der Inkretine und fördern so ihre Effekte.
- Metformin (Glucophage®, Generika) hat einen antiadipösen Effekt, der bei Diabetikern (Typ 2) erwünscht ist, da diese häufig übergewichtig sind.
- Andere Antidiabetika führen tendenziell eher zu einer Gewichtszunahme.
Neuere Antiepileptika:
- Topiramat (Topamax®) ist zur Behandlung von Epilepsie und zur Migräneprophylaxe zugelassen und wirkt appetithemmend. Die Wirksamkeit als Antiadipositum ist nachgewiesen, wird aber durch häufig auftretende unerwünschte Wirkungen wie zum Beispiel Schläfrigkeit, Abgeschlagenheit, Parästhesien, Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit limitiert. Ähnliches gilt auch für Zonisamid (Zonegran®)
- Naltrexon (Naltrexin®) hemmt die Nahrungsaufnahme. Es ist zugelassen zur medikamentösen Unterstützung bei der Entwöhnungsbehandlung vormals Opiatabhängiger. Appetitlosigkeit ist dabei eine häufige unerwünschte Wirkung. Naltrexon wird Off-Label auch bei anderen Suchterkrankungen angewendet. Eine Kombination mit Bupropion ist in den USA zugelassen, siehe unter Naltrexon Bupropion (Contrave®).
Da viele Arzneimittel antiadipös wirksam, aber nicht in dieser Indikation zugelassen sind, werden sie von einigen Patienten missbräuchlich zum Abnehmen eingesetzt. Dies gilt etwa für die Schilddrüsenhormone oder Sympathomimetika wie Ephedrin und Phenylpropanolamin, die als Tierarzneimittel erhältlich sind. Der mögliche Missbrauch muss in der Apotheke beachtet werden, da die nicht-kontrollierte Einnahme solcher Mittel zu schweren unerwünschten Wirkungen führen kann, insbesondere durch Interaktionen und bei Gegenanzeigen.
Ein weiteres Problem stellen im Internet gehandelte Schlankheitsmittel dar, die mit potenten Wirkstoffen versetzt sind. Die Swissmedic warnte erst kürzlich vor dem Schlankheitsmittel Zhen de Shou, das über das Internet vertrieben wird und Sibutramin enthält.
4. Alternative AntiadipositaZahlreiche pflanzliche und andere alternativmedizinische Mittel sind als Arzneimittel, Medizinprodukte oder Nahrungsmittelergänzungen erhältlich. Die Wirksamkeit dieser Mittel ist in der Regel nicht zuverlässig nachgewiesen. Auch pflanzliche Mittel können zu unerwünschten Wirkungen führen, wie zum Beispiel Coffein, Tabak (Rauchen), Ephedra oder pflanzliche Abführmittel.
Nahrungsfasern und Ballaststoffe:
- Konjakmehl (Konjacpflanze, Glucomannan), Guar (Guargalactomannan), Topinambur, Flohsame und indischer Flohsame sollen durch Quellung mit Wasser sättigend wirken und die Absorption von Fetten hemmen. Sie sollen mit ausreichend Wasser eingenommen werden.
- Chitosan ist ein ß-1,4-Polymer aus D-Glucosamin und N-Acetyl-D-Glucosamin aus Krebstierpanzer, bindet gemäss Hersteller Fette in der Nahrung und hemmt sie so an der Aufnahme in den Organismus. Ausführliche Informationen finden Sie unter dem Artikel Chitosan.
Coffein und Coffeindrogen:
- Kaffee, Schwarztee, Grüntee, Guarana, Mate fördern den Energieumsatz.
- Grüner Kaffee
- Ephedra und sein Inhaltsstoff Ephedrin hemmen den Appetit und fördern die Thermogenese. Sie scheinen bedingt wirksam, sind in der Schweiz in dieser Indikation nicht zugelassen und können zu schweren unerwünschten Wirkungen führen (Herz-Kreislauf). Geläufig ist die Kombination mit Coffein.
Weitere (Auswahl):
- PhaseLite, Pflanzliche Diuretika und Laxantien, Algen, Spirulina, Ginseng, Chrom, Hoodia gordonii, Garcinia cambogia, Lakritze, L-Carnitin, Löwenzahn, Johanniskraut, Vitamin B5, Apfelessig und Guggul. Guggul ist das Harz des Balsambaumes Commiphora mukul und wird in der ayurvedischen Medizin gegen Übergewicht eingesetzt.
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- Gebrauchsinformation Formoline L112 http://www.formoline.ch/
- http://www.orexigen.com
- http://www.alpinamed.ch/
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
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