Prostatavergrösserung IndikationenEine gutartige Prostatahyperplasie mit Störungen der Harnentleerung ist ein häufiges, chronisches und fortschreitendes Altersleiden bei Männern. Zu den Symptomen gehören Harndrang, eine häufige Harnentleerung, ein schwacher Harnstrahl, Unterbrechungen im Harnfluss, das Gefühl einer unvollständig entleerten Blase und Nachträufeln. Behandelt werden die Beschwerden nicht medikamentös mit beobachtendem Abwarten und chirurgischen Methoden oder medikamentös mit Alphablockern, 5α-Reduktasehemmern und verschiedenen pflanzlichen Arzneimitteln wie beispielsweise der Sägepalme.
synonym: Benigne Prostatahyperplasie, BPH, Gutartig vergrösserte Prostata, Prostataadenom, Benignes Prostatasyndrom, Prostatabeschwerden
SymptomeEine gutartige Hyperplasie der Prostata ist ein typisches und chronisches Altersleiden bei Männern. Etwa 50 % der Männer über 50 und 80 % der Männer über 80 sind betroffen. Die Inzidenz und die Beschwerden nehmen mit steigendem Alter zu. Das Alter ist denn auch der wichtigste Risikofaktor. Die klinische Symptomatik wird auch als „Benignes Prostatasyndrom“ bezeichnet, denn der Begriff Hyperplasie beschreibt nur die Gewebeveränderung in der Prostata, die auch symptomlos bleiben kann. Zu den möglichen Symptomen gehören:
- Harndrang
- Verzögerung beim Beginn der Blasenentleerung
- Pressen zur Ingangsetzung des Harnflusses
- Schwacher Harnstrahl
- Unterbrechungen des Harnflusses, Harnstottern
- Schmerzen und Brennen während dem Wasserlösen
- Gefühl einer unvollständig entleerten Blase
- Nachtröpfeln, Überlauf- oder Dranginkontinenz
- Häufige Harnentleerung bei Tag und nachts
Der Schweregrad und der Verlauf kann mit einem Fragebogen erfasst werden. Verwendet wird der IPSS (International Prostate Symptom Score), der die Patienten in eine Gruppe mit milder, mässiger respektive schwerer Symptomatik einteilt.
Zu den möglichen Komplikationen und Folgen einer unbehandelten BPH gehören unter anderem Schlafstörungen, Angst, eine reduzierte Lebensqualität, Erektionsstörungen sowie eine akute Harnretention, Harnwegsinfektionen, Blut im Urin und Nierenerkrankungen.
UrsachenAls Ursache der aufgelisteten Beschwerden wird die progressive Zunahme der Epithel- und Stromazellen der Prostata (= Hyperplasie) angesehen, was zu einer verstärkten Kompression der Harnröhre und einer Zunahme des Muskeltonus in der Prostata und am Blasenhals führt. Es ist wichtig zu verstehen, dass weder die Hyperplasie, noch die Vergrösserung zwangsläufig zu Symptomen führen. Die Ätiologie ist nicht vollständig aufgeklärt, unter anderem werden hormonelle Veränderungen beim älter werdenden Mann diskutiert.
DiagnoseDie Primärdiagnostik erfolgt gewöhnlich durch den Hausarzt oder Hausärztin, die den Patienten für die weiterführende Diagnostik und Therapie in die Urologie überweist. Zu den möglichen Differentialdiagnosen gehören unter anderem eine hyperaktive Blase, ein unkontrollierter Diabetes mellitus, eine Herzinsuffizienz, Harnwegsinfektionen, Blasenkrebs, ein Prostatakrebs, eine Prostataentzündung (Prostatitis) und eine Harnröhrenstriktur.
Da es sich dabei teilweise um schwerwiegende Erkrankungen handelt, sollte keine Selbstdiagnostik oder Selbstbehandlung durch die Patienten erfolgen; stattdessen ist es ratsam, sich bei Prostatabeschwerden in ärztliche Kontrolle und Behandlung zu begeben.
Zahlreiche Medikamente können die Beschwerden auslösen oder verschlimmern: Antidepressiva, Anticholinergika, Antihistaminika der 1. Generation, Opioide, Sympathomimetika und Diuretika.
Nicht medikamentöse BehandlungDas ärztlich verordnete und kontrollierte beobachtende Zuwarten (engl. „Watchful Waiting“) wird Patienten mit leichten Beschwerden empfohlen.
Zur chirurgischen Entfernung des Prostatagewebes stehen verschiedene minimalinvasive bis invasive Methoden zur Verfügung, z.B. die transurethrale Prostataresektion, Greenlightlaser-Vaporisation, laparoskopische oder offene Prostataenukleation.
Medikamentöse BehandlungZu dieser Arzneimittelgruppe gehören Alfuzosin (Xatral®, Generika), Tamsulosin (Pradif T®, Generika), Terazosin (Hytrin BPH®) und Silodosin (Urorec®). Alphablocker sind zur Behandlung der funktionellen Symptome der gutartigen Prostatavergrösserung freigegeben. Die Wirkung beruht auf der kompetitiven und selektiven Hemmung der α1-Adrenorezeptoren und der Entspannung der glatten Muskulatur in der Prostata und Harnröhre. Dies erhöht den Harnfluss, verbessert das Wasserlassen und die Füllungssymptome. Die Effekte treten im Unterschied zu den 5alpha-Reduktasehemmern schnell ein. Alphablocker sind Sympatholytika und können den Blutdruck senken, was als unerwünschte Wirkung zu fühlbaren Herzschlägen, Schwindel, Schwäche und selten zu einer kurz andauernden Bewusstlosigkeit führt. Andere Wirkstoffe aus dieser Gruppe wie Doxazosin oder Prazosin werden deshalb auch gegen Hypertonie eingesetzt. Tamsulosin und Silodosin sind selektiv für den α1A-Rezeptor und sollen weniger kardiovaskuläre Nebenwirkungen verursachen.
In der Schweiz sind Finasterid (Proscar®, Generika) und Dutasterid (Avodart®) im Handel. Beide Wirkstoffe hemmen die 5alpha-Reduktase, welche Testosteron in 5α-Dihydrotestosteron überführt. 5α-Dihydrotestosteron stellt einen wichtigen Wachstumsreiz für die Vergrösserung der Prostata dar. Das neuere Dutasterid hemmt nicht nur die 5alpha-Reduktase vom Typ 2, sondern auch vom Typ 1 und ist ein stärkerer Inhibitor des Enzyms als Finasterid. Die Arzneimittel reduzieren innert 3 bis 6 Monaten die Grösse der Prostata, lindern die Symptome und verbessern den Harnfluss. Eine klinische Besserung der Symptome tritt also nicht sofort ein, sondern erst nach einer langen Therapiedauer. Im Gegensatz zu den Alphablockern können sie den klinischen Verlauf beeinflussen. Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen gehören sexuelle Störungen wie Impotenz, Nachlassen der Libido, Ejakulationsstörungen und eine Vergrösserung der Brustdrüse. Die Wirkstoffe senken den Serum-PSA Wert um ca. 50%, was bei der Prostatakarzinom-Vorsorge mit PSA-Bestimmung zu berücksichtigen ist.
Kombinationspräparate:
- siehe unter Dutasterid Tamsulosin
Weitere:
- Flavoxat (Urispas®)
- Phosphodiesterase-5-Hemmer wie Tadalafil (Cialis®)
Extrakte aus den Früchten der Sägepalme (Serenoa repens, z.B. Prostaplant®, Prostasan®, Sabcaps®) gehören zur den populärsten pflanzlichen Arzneimitteln für dieses Anwendungsgebiet. Sie sind bis auf Verdauungsbeschwerden gut verträglich und es müssen kaum Vorsichtsmassnahmen beachtet werden. Es sind Arzneimittel im Handel, die nur einmal täglich eingenommen werden müssen.
Brennnesselwurzelextrakt (Urtica dioica) haben harntreibende Eigenschaften. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Verdauungsbeschwerden.
Extrakte aus Kürbissamen (z.B. Granufink®) werden zweimal täglich eingenommen und sind als pflanzliches Mittel in der Regel gut verträglich.
Extrakte aus der Rinde des afrikanischen Pflaumenbaums (Pygeum africanum) werden zweimal täglich eingenommen. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Verdauungsbeschwerden.
Extrakte aus Roggenpollen (Secale cereale) sind in der Schweiz als Arzneimittel registriert, werden aber nicht mehr vertrieben. Cernilton® ist ausser Handel. Sie dürfen vorsichtshalber nicht bei einer Pollenallergie eingenommen werden, zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Verdauungsbeschwerden und allergische Reaktionen.
Weidenröschentee (Epilobium parviflorum) ist ein beliebtes Arzneimittel in der Volksmedizin.
Phytosterole werden für die Behandlung eingesetzt.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformation (CH, EMA, USA)
- Bracher F. Phytotherapie der benignen Prostatahyperplasie. Der Urologe A, 1997, 36(1)
- Burnett A.L., Wein A.J. Benign prostatic hyperplasia in primary care: what you need to know. J Urol, 2006, 175(3 Pt 2), S19-24 Pubmed
- Connolly S.S., Fitzpatrick J.M. Medical treatment of benign prostatic hyperplasia. Postgrad Med J, 2007, 83(976), 73-8 Pubmed
- Dedhia R.C., McVary K.T. Phytotherapy for lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia. J Urol, 2008, 179(6), 2119-25 Pubmed
- Dong Z., Wang Z., Yang K., Liu Y., Gao W., Chen W. Tamsulosin versus terazosin for benign prostatic hyperplasia: a systematic review. Syst Biol Reprod Med, 2009, 55(4), 129-36 Pubmed
- Dull P., Reagan R.W. Jr, Bahnson R.R. Managing benign prostatic hyperplasia. Am Fam Phys, 2002, 66(1), 77-84 Pubmed
- Edwards J.L. Diagnosis and Management of Benign Prostatic Hyperplasia. Am Fam Phys, 2008, 77(10), 1403-1410 Pubmed
- Elhilali M.M. Alfuzosin: an alpha1-receptor blocker for the treatment of lower urinary tract symptoms associated with benign prostatic hyperplasia. Expert Opin Pharmacother, 2006, 7(5), 583-96 Pubmed
- Emberton M., Cornel E.B., Bassi P.F., Fourcade R.O., Gómez J.M., Castro R. Benign prostatic hyperplasia as a progressive disease: a guide to the risk factors and options for medical management. Int J Clin Pract, 2008, 62(7), 1076-86 Pubmed
- Madersbacher S., Marszalek M. Benigne Prostatahyperplasie Erfolge und Grenzen der Pharmakotherapie. Der Internist, 2007, 48(10)
- Parsons J.K. Modifiable risk factors for benign prostatic hyperplasia and lower urinary tract symptoms: new approaches to old problems. J Urol, 2007, 178(2), 395-401 Pubmed
- Pientka L., Grüger J. Symptome, Behandlung und Kosten von Patienten mit benigner Prostatahyperplasie im ambulanten Bereich. Der Urologe B, 1997, 37(2)
- Rich K.T., Safranek S. FPIN's clinical inquiries. Medical treatment of benign prostatic hyperplasia. Am Fam Phys, 2008, 77(5), 665-6 Pubmed
- Roumeguère T., Zouaoui Boudjeltia K., Hauzeur C., Schulman C., Vanhaeverbeek M., Wespes E. Is there a rationale for the chronic use of phosphodiesterase-5 inhibitors for lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia? BJU Int, 2009, 104(4), 511-7 Pubmed
- Schilit S., Benzeroual K.E. Silodosin: a selective alpha1A-adrenergic receptor antagonist for the treatment of benign prostatic hyperplasia. Clin Ther, 2009, 31(11), 2489-502 Pubmed
- Schulze H. Benigne Prostatahyperplasie (BPH). Der Urologe A, 1997, 36(1)
- Tacklind J., Macdonald R., Rutks I., Stanke J.U., Wilt T.J. Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database Syst Rev, 2012, CD001423 Pubmed
- Wilt T.J., N'Dow J. Benign prostatic hyperplasia. Part 1 - diagnosis. BMJ, 2008, 336(7636), 146-9 Pubmed
- Wilt T.J., N'Dow J. Benign prostatic hyperplasia. Part 2 - management. BMJ, 2008, 336(7637), 206-10 Pubmed
- Wiygul J., Babayan R.K. Watchful waiting in benign prostatic hyperplasia. Curr Opin Urol, 2009, 19(1), 3-6 Pubmed
- Yap T., Emberton M. Behaviour modification and benign prostatic hyperplasia: replacement for medications. Curr Opin Urol. 2010 Jan;20(1):20-7 Pubmed
Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und sind nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt.
PharmaWiki mit Google durchsuchen.