Grippeimpfung


synonym: Saisonale Grippeimpfung, Grippeimpfungen, Grippeimpfstoffe, Trivalente Grippeimpfstoffe
ProdukteGrippeimpfstoffe sind in der Schweiz als Injektionspräparate von verschiedenen Anbietern im Handel.
Struktur und EigenschaftenDie in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe enthalten inaktivierte Oberflächenantigene des Influenzavirus, Hämagglutinin und Neuraminidase, gemäss den jährlichen Empfehlungen der WHO. Da sich die Viren laufend leicht verändern, ist eine kontinuierliche Anpassung notwendig. Die Impfstoffe sind sogenannt trivalent, d.h. sie bestehen aus den Proteinen von drei Stämmen, zwei vom Typ A und einer vom Typ B. Bisher werden alle saisonalen Grippeimpfstoffe, die in der Schweiz im Handel sind, aus befruchteten Hühnereiern gewonnen und sind inaktiviert.
WirkungenDie Grippeimpfung (ATC J07BB02 ) löst die Bildung von Antikörpern gegen Grippeviren aus, welche die Viren der entsprechenden Stämme neutralisieren und die Infektion so verhindern oder abschwächen sollen. Die Wirkung tritt verzögert innert 2 bis 4 Wochen ein und hält zwischen 4 bis 12 Monaten an (optimaler Schutz etwa 4 Monate).
Ein bekannter Kritiker der Impfung, der Epidemiologe Tom Jefferson, bemängelt in mehreren Cochrane-Reviews, die Wirksamkeit sei wissenschaftlich ungenügend nachgewiesen und die Impfung schütze vor allem gesunde Erwachsene einigermassen gut. Die Wirksamkeit sei gerade bei den Risikogruppen, also bei Kindern und bei älteren Menschen, ungenügend.
Es muss beachtet werden, dass kein vollständiger Schutz besteht und die Impfung nicht vor den zahlreichen Erkältungskrankheiten schützt. Verschiedene Faktoren beeinflussen die Immunantwort, unter anderem das Alter, eine Immunsuppression und die Arzneiform. Zudem enthält die Impfung nicht immer die richtigen Virenstämme, welche die aktuelle Grippewelle verursachen.
IndikationenZur aktiven Immunisierung gegen die Grippe, gemäss den Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Zu den Risiko- und Zielgruppen, denen die Impfung von den Behörden empfohlen wird, gehören unter anderem ältere Menschen ab 65 Jahren, Menschen mit Grunderkrankungen, Frühgeborene, Kontaktpersonen und Medizinal- und Pflegefachpersonen.
Gemäss der Arzneimittel-Fachinformation. Die Arzneimittel werden intramuskulär in den Oberarmmuskel verabreicht (M. deltoideus). Einige dürfen auch tief subkutan gespritzt werden, andere ausschliesslich intramuskulär. Unter keinen Umständen intravenös verabreichen! Die optimale Zeitspanne für die Verabreichung ist gemäss BAG Mitte Oktober bis Mitte November.
Kontraindikationen- Überempfindlichkeit gegen die verschiedenen enthaltenen Komponenten (je nach Hersteller u.a. Virenbestandteile, Ovalbumin / Hühnereiweiss, Kanamycin, Neomycin, Gentamicin, Formaldehyd, Cetyltrimethylammoniumbromid, Polysorbat 80, Natriumdeoxycholat)
- Akute, schwere, fieberhafte Erkrankungen
Eine geeignete medizinische Behandlung und Überwachung muss verfügbar sein, falls es zu einer schweren Überempfindlichkeitsreaktion kommt. Die vollständigen Angaben zu Vorsichtsmassnahmen und Interaktionen finden sich in der Arzneimittel-Fachinformation.
Unerwünschte WirkungenZu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Reaktionen an der Injektionsstelle wie Schmerzen, Schwellung, Rötung und Verhärtung. Allgemeine Symptome wie zum Beispiel Müdigkeit, Schwäche, Krankheitsgefühl, Fieber, Muskelschmerzen, Durchfall, Kopfschmerzen, Schwindel, Schnupfen und Rachenentzündung kommen häufig vor. Weitere Nebenwirkungen sind Frösteln, Übelkeit, Unterbauchschmerzen und Gelenkschmerzen. Diese Beschwerden verschwinden in der Regel innert einiger Tage. Selten können nach der Impfung allergische Reaktionen oder vorübergehende Blutbildstörungen (Thrombozytopenie) auftreten. Äusserst selten wird über neurologische Reaktionen berichtet (Guillain-Barré-Syndrom).
Grippeimpfung und AnaphylaxieEine gefährliche und potentiell lebensbedrohliche Komplikation während der Impfung sind schwere Überempfindlichkeitsreaktionen wie eine Anaphylaxie. Sie äussert sich zum Beispiel in Beschwerden wie Atemnot, Keuchen, tiefer Blutdruck, Herzrasen, Nesselfieber und Schwellungen. Mögliche Differentialdiagnosen sind anaphylaktoide Reaktionen und vasovagale Reaktionen, die durch die Aufregung im Zusammenhang mit der Impfung entstehen.
Als mögliche Antigene kommen alle Komponenten des Produktionsprozesses in Frage, die im fertigen Produkt noch enthalten sind. Dazu gehören neben den Virusbestandteilen Hühnereiweiss, Antibiotika und Hilfsstoffe (siehe oben). Eine nachgewiesene Allergie muss nicht zwingend zu einer Anaphylaxie führen, ist gemäss der Arzneimittel-Fachinformation jedoch eine Kontraindikation. Anaphylaktische Reaktionen sind nach Impfungen im Allgemeinen extrem selten. In der Literatur wird beispielsweise die Zahl von 0.65 bis 1.5 Fällen pro 1 Million Impfdosen bei Kindern und Jugendlichen genannt (Bohlke et al., 2003). In einer anderen Publikation wird ein Anteil von 0.002% für die Grippeimpfung angegeben (Coop et al., 2007).
Trotzdem wird empfohlen, die Geimpften 15-20 Minuten zu beobachten, weil die meisten schweren Fälle in dieser Zeitspanne auftreten. Als Standardbehandlung der Anaphylaxie gilt die Verabreichung von Adrenalin. Abhängig von den Leitsymptomen werden auch Antiallergika wie Antihistaminika und Glucocorticoide sowie Beta2-Sympathomimetika, Sauerstoff und intravenös verabreichte Flüssigkeit eingesetzt. In schweren Fällen kann eine Intubation angezeigt sein.
siehe auchLiteratur- Arzneimittel-Fachinformationen (CH, USA)
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- http://www.gemeinsamgegengrippe.ch
- http://www.infovac.ch
- http://www.grippe.admin.ch
- http://www.sichimpfen.ch
- http://www.who.int/csr/disease/influenza/vaccinerecommendations1/en/
(Empfehlungen der WHO)
Autor: PharmaWiki. Interessenkonflikte: Keine / unabhängig. Der Autor hat keine Beziehungen zu den Herstellern und ist nicht am Verkauf der erwähnten Produkte beteiligt. Mit bestem Dank an Dr. Jörg Indermitte, Apotheker, für das kritische Durchlesen.